„Du Blödmann!“

„Du Blödmann!“ schallt es über den Kindergartenflur. Ich bin die Mutter, die nicht mal mit der Wimper zuckt, stattdessen das Löwenmaul noch mal bittet, dann jetzt endlich mitzukommen. Ich seh‘ genau, dass die eine Mutter erst das Löwenmaul, dann mich mit großen überraschten Augen ansieht. Vermutlich erwartet sie, dass ich eine Ermahnung ausspreche. Ich bin aber auch die Mutter, die es ehrlich gesagt überhaupt nicht schlimm findet, wenn mein Kind seinen Bruder Blödmann nennt. Sofern es das eben in dem Moment so empfindet. Irgendwie muss man seine Gefühle ja verbalisieren und seien wir ganz ehrlich: „Ich finde Dein Verhalten gerade blöd!“ klingt zwar sehr höflich und Wortgewandt, drückt aber nicht aus, was mein Kind da gerade empfindet. Er ist sauer, stinksauer , auf seinen Bruder. Beide haben sich hin und her geärgert. Keiner war besser als der andere. Es nörgelte und quengelte schon die ganze Zeit zwischen den Beiden. Da war diese kurze Wutverpuffung nur eine Frage der Zeit.

Ich – persönlich – empfinde Blödmann als ein ziemlich gutes Wort, um seine Wut auf jemanden auszudrücken, ohne ihn tiefgreifend zu verletzen. „Du bist blöd!“ wäre jetzt die andere Variante und fragen Sie mich nicht warum, aber DAS würde mich viel mehr stören. Aber vermutlich ist das wieder son ein individuelles Empfindungsding. 

Wirklich – wirklich – überrascht war ich, als das Löwenmaul dem Quietschbeu gestern ein lautes „A’schloch!“ entgegen pfefferte. Da war meine sofortige Reaktion ein lautes „Hey!“, dann kurz atmen, sammeln und dem Kind auf Augenhöhe erklären, dass man dieses Wort gar nicht schön findet und er doch lieber weiter Blödmann sagen soll, wenn er sich so über jemanden ärgert. 

A’schloch hat für mich eine ganz andere Qualität als Blödmann. Es ist härter in der Tonalität und somit auch aggressiver in der Ansprache. Blödmann klingt einfach weicher und generell eher harmlos.

Und seien wir ehrlich: Fluchen tun sie alle früher oder später. Sie schnappen im Kindergarten, auf dem Spielplatz und sicher auch mal Zuhause Schimpfworte auf, die sie unreflektiert wiedergeben und ausprobieren. Gänzlich verhindern kann man das nicht. Aber so etwas wie ein Feingefühl vermitteln, was „im Rahmen“ ist und was den Gegenüber tief und nachhaltig verletzt, das kann man ihnen schon erklären.

Ich benutze in diesen Fällen gerne das Beispiel vom heruntergefallenen Wasserglas. Nur weil man „Entschuldigung!“ sagt, ist es nicht wieder ganz. Man muss sich vorher überlegen, welche Auswirkungen etwas, was man sagt oder tut, haben kann. Und ja, ich glaube fest daran, dass dies auch bereits 4-Jährige können.

„Stell Dir mal vor, zu Dir sagt jemand Arschloch. Wie findest Du das dann?“
„Nicht gut.“
„Und was tust Du dann?“
„Weinen.“
„Möchtest Du, dass der Quietschbeu weint?“
„Nein.“

Gut, vermutlich ist so ein bisschen Empathie von Nöten, um so denken zu können. Aber ich glaube schon, dass die im Regelfall wohl auch vorhanden sein wird. Im Übrigen bin ich auch der Meinung, umso mehr Trara man um ein Schimpfwort bzw. dessen Verwendung macht, umso interessanter wird es für die Kinder dieses auch zu benutzen. Die Jungs dürfen auch „Scheiße!“ sagen, wenn ihnen etwas kaputt geht oder sie sich ernsthaft weh getan haben, ohne dass ich sie zurecht weise. Es ist wie ein kleines Ventil, das kurz aufgeschraubt wird, Dampf ablässt und dann wieder geschlossen wird. Mir ist tausendmal lieber, meine Jungs fluchen, als dass die ihre Wut oder Erregung körperlich zum Ausdruck bringen. 

Und das ist der Grund, warum meine Kinder „Du Blödmann!“, aber nicht „Du Arschloch!“ sagen dürfen/können/sollen. Ganz subjektiv. Hier bei Miezens.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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9 Gedanken zu „„Du Blödmann!“

  1. sehr schön!
    Erinnert mich an meine Kollegin im letzten Job, die mal zu einem Kind, dessen lang aufgebauter Bauklotzturm umgekippt war (und er war echt engagiert und lang zu Gange), sagte:
    „Weisste was? Jetzt darfste auch mal ganz laut „Scheisse“ rufen!“
    Und das im katholischen Kindergarten :-D

  2. Hmm… Mich stören die Schimpfwörter auch nicht, v.a. deshalb nicht weil ich selber oft und gerne fluche. Es hilft mir. Punkt. Anders sieht es aus wenn Leute mithören, denen das nicht so passt. Die meisten also, auch der Papa z.B. Grobe Wörter toleriere ich auch nicht und ich habe Mühe damit wenn mein Sohn sagt, dass ich oder seine Schwester, sein Vater oder die Nana oder sonst wer blöd sei nur weil man z.B. berechtigt nein zu etwas gesagt hat oder er etwas machen soll, was ihm gerade nicht passt… Ich drücke dann aber meist mein Verständnis aus… „Ich weiss, dass Du wütend bist weil… aber deswegen ist XY/bin ich nicht blöd!“ Ganz so einfach ist das alles nicht… ;)

  3. ….hier wird geflucht, was das Zeug hält, und daran bin leider ich Schuld, weil ich mich da echt oft nicht im Griff hab. Aber es tut einfach gut. Außerdem ermahnen mich dann meine Kinder, wenn ich über die Stränge schlage, und daran merke ich, dass es bei ihnen richtig abgespeichert ist!
    Lg vom Haushalt, in dem oft scheisse gesagt wird

  4. Ich nutze selten bis gar keine Schimpfwörter, aber ich fluche dann immer mit „maaaaaaaaaan“ und so sitzt unser kleiner auch schon mit „oh man“ oder „gemein“ da.

    Ganz verhindern kann man die Wörter leider nicht. Ich hoffe nur er nutzt sie selten später.

  5. Ich bin auch leidenschaftlicher Flucher. Da meine Kinder ja auch mittlerweile groß sind (19 und 16) können die von mir auch nix mehr lernen was Sie nicht lang schon woanders gehört haben. Ich darf also auch schon ganz derbes Zeug sagen!
    Hurra!!!
    Aber wenn ich schon mal richtig Tobe- zu Hause- dann sag ich schon mal Bullshit und krieg dann jedesmal zu hören das sei ja sowas von oldfashioned! Das sage man nich mehr! Und- ich krieg auch schon mal zu hören, dass es sich für mich als Mutter nicht geziemt so rumzufluchen! Ich sollte mich mal besser im Griff haben! Das stehe mir nicht! Ha ha.
    Find ich lustich das die Kinder dann pingeliger sind mit einem als umgekehrt!

  6. Mit dem Fluchen ist es umgekehrt wie mit dem Essen mit Besteck. So wie es irgendwann sinnvoll ist, die Pizza mal lieber mit dem Besteck anstelle in Dreicke zu scheiden und mit den Fingern zu essen, gibt es auch Momente, in denen man besser mal nicht hemmungslos rumflucht. Solange das die Kinder rechtzeitig zu erkennen gelernt haben, ist alles in Ordnung.

    Ich erinnere mich noch, wie mir meine Eltern erzählten, wie wichtig das ist ordentlich zu essen und illustrierten das mit der Situation, dass man ja mal mit seinem Chef essen gehen müsse. Das war für mich – ich war damals maximal Grundschüler – ja sowas von abstrakt und weit weg, dass das damals natürlich verpuffte.

    25 Jahre später war es dann aber soweit: Ich kam zu einem Vorstellungsgespräch und die Abteilungsleiterin meinte, dass wir doch im Restaurant um die Ecke essen gehen könnten.

  7. Der innere Dampfkessel braucht hin und wieder einfach einen Ventil. Ich erlebe dass bei uns in beiden Varianten. Die Kleine (fast 3) schimpft und schreit kurz. Dann ist es aber auch wieder gut. Die Große wird dieses Jahr 13 und flucht garnicht, hat es noch nie getan. Nicht einmal habe ich ein „Scheiße“ oder auch nur ein „Mist“ von ihr gehört. Was ich vor ein paar Jahren noch unheimlich toll fand, macht mir inzwischen eher Sorgen. Die Pubertät hat schon einen Fuß in der Tür. Wut und Enttäuschung werden in den nächsten Jahren unweigerlich dazu gehören. Ich wünsche mir für sie sehr, dass sie den Zugang zu diesem (kleinen) Ventil noch findet und nutzt.
    Die Kleine lasse ich schimpfen solange es nicht verletzend wird. Ihr geht es danach besser.

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