1000 Meter Geld

„Dann kaufen wir einfach ein Neues!“ ist so ein Satz, der mich immer und immer wieder in Trudeln bringt. Nein, bei Familie Miez wird nicht einfach etwas neu gekauft, weil es aufgebraucht oder kaputt ist. Schon gar nicht, wenn letzteres durch Außeneinwirkungen (kleiner Löwenmaultornado oder Quietschbeutsunami) eingetreten ist. Aber natürlich stellen sich Tornado und Tsunami dennoch die Frage, warum man es nicht einfach nochmal kauft, wenn man es doch schon einmal gekauft hat.

Es ist eine der größten Eltern-Herausforderungen, Kindern verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Sachgegenständen beizubringen. Wie vermittelt man materiellen Wert? Wie erklärt man, dass man nicht unbegrenzt Geld aus der Wand pumpen kann, auch wenn man nur diese putzige bunte Plastikkarte in den Bankautomaten steckt und ein paar Knöpfe drücken muss. Weil: der Quietschbeu kann das. Der kann sich eine halbe Stunde damit beschäftigen „Geld bei der Bank“ abzuholen. Imaginär gesehen, natürlich.

Also erkläre ich ihnen, warum wir – Papa und Mama – arbeiten gehen (müssen). Um Geld für unser Leben zu verdienen. Denn Leben ist teuer. Lebensmittel, Miete, Kleidung. Das alles kostet Geld. Wirklich entsetzt und verständnislos war der Quietschbeu, als ich ihm erklärte, dass der Strom, der uns Licht bringt oder den Herd erhitzt, auch Geld kostet. Und Wasser. Ja, das Wasser, das da aus dem Wasserhahn kommt und auch das, das wir die Toilette hinunter spülen.

Für ihn kostet alles, was ich als „teuer“ bezeichne, 1000 Meter Geld. Wir üben das noch mit der Währung und den Mengenangaben. Aber 1000 Meter Geld, puh, das ist viel.

Ein typischer Miez-Dialog ist dieser:

LM: „Mama, mein Swert is gaputt. Du muss ein neues kaufen.“
MM: „Nein, Schatz, ich kaufe kein neues Schwert. Du hast das selber kaputt gemacht, obwohl ich Dir vorher gesagt habe, dass es davon kaputt gehen wird.“
QB: „Gibt kein neues Schwert! Das is nämlich voll teua. Das kostet 1000 Meter Geld!“

In Wahrheit kostet das Schwert natürlich nur 2,95 Euro, aber wer nicht sorgsam mit seinen Sachen umgehen kann, der muss lernen auch mal zu verzichten. Immerhin gibt es auch Dinge, die man nicht eben mal so nachkaufen kann, auch wenn man wollte.

Unsere Kinder haben vor einem knappen halben Jahr zum Beispiel unser Sofa kaputt gehüpft. Man kann noch darauf sitzen, aber der Kunstlederbezug ist mehrfach gerissen und es sieht nun einfach scheiße aus. Ich habe Überwürfe drauf gemacht. Den Kindern zeigte ich die hässlichen Stellen und erklärte ihnen, dass sie das trotz Sofahüpfverbot verursacht hätten. Der Quietschbeu wollte sofort ein neues Sofa kaufen fahren und ich erklärte ihm wieder einmal, dass so ein neues Sofa sehr teuer sei und wir uns das gerade im Moment nicht einfach so leisten könnten. Das besorgte ihn. Er fragt mich seither oft, warum wir zu wenig Geld haben und ob wir denn trotzdem noch das Wasser und den Strom bekommen würde.

Tja. Begrifflichkeiten wie teuer, wertvoll, unbezahlbar, billig, günstig haben eine so unglaublich weite Bedeutungsspanne, dass ich manchmal schon sehr darauf achten muss, welches Wort ich in welchem Zusammenhang benutze. Strom ist teuer, ja. Aber im Verhältnis/Vergleich zu einem neuen Sofa kann man wiederum nicht von teuer sprechen. Der Quietschbeu tut das natürlich trotzdem.

Teuer ist 1000 Meter Geld.

Wenn er ein Papa ist und selber viel Geld hat, dann will er uns übrigens ein neues Sofa kaufen. Er hat sogar schon das Löwenmäulchen verpflichtet, sich daran zu beteiligen. Also, wenn der auch ein Papa ist.

Ich lächle dann nur, streiche über seinen Kopf und sage: „Danke. Das ist lieb von Euch!“

Was ist schon umsonst?

Außer 1000 Meter Liebe.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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10 Gedanken zu „1000 Meter Geld

  1. Das hast du schön geschrieben. Ich stimme dir voll und ganz zu. Ich sehe selbst, wie schwer es ist, den Kindern die Wertschätzung von materiellen und immateriellen Gütern näher zu bringen.
    Mit der Wertschätzung von 1000 Metern Liebe anzufangen, ist dabei gar nicht so schlecht. Die werden nämlich noch mehr, wenn man sie teilt :)

  2. Der Post kommt heute wirklich gerade richtig! „Konto-sowas-von-leer“! Unser Rehlein ist mit seinen 10 Monaten noch zu klein, um sich überhaupt für Geld zu interessieren. Es sei denn um dranzufummeln oder draufzukauen. Wenn ich mal wieder vor lauter Ebbe auf dem Konto den Durchblick verliere, rettet mich jedes Mal der Blick auf mein Kind. Denn dieses Glück kann man auch mit 1000 Meter Geld nicht bezahlen :-)

  3. Es ist wichtig, das Kinder lernen, das Dinge einen Wert haben.Wie der „Geldkreislauf“ funktioniert (arbeiten= geldverdienen) Aber genauso sollte man ihnen vermitteln, das s viele schöne Dinge ganz umsonst im Leben gibt.

  4. Das ist wirklich ein gutes, aber auch sehr schwieriges Thema. Die Standard-Antwort der Kleinen, wenn irgendetwas aus, kaputt oder weg ist, ist derzeit auch: „Paufe!“ …
    Die Erklärung vom QB finde ich gar nicht so schlecht. Alles, was man sich visualisieren kann, ist leichter zu verstehen. Ein schlauer Ansatz!

    Übrigens: Wir haben genau dasselbe Sofa-Problem. Das Kunstleder ist entlang der Mittelnaht gebrochen. Überwürfe haben hier keine Chance, die halten einfach nicht. Ich hab jetzt ein breites Stück Kunstleder links und rechts gesäumt und mit Teppichmontierband auf der Sitzfläche festgeklebt. Es ist nicht perfekt, aber es sieht allemal besser aus als der aufgeplatzte Bezug … Und den Kindern ist es auch klar, dass man da, wo das „Pflaster“ ist, nicht mehr hüpfen darf ;o)

    LG, Luci

  5. Ein schwieriges Thema, auch bei unseren beiden Großen… es ist nicht jeder Wunsch erfüllbar, nicht alles wird ersetzt und nicht alles kann man kaufen. Der Große lernt langsam was es heißt, zu sparen, damit man sich einen Wunsch erfüllen kann.
    Süß war er, als er mit seiner Sparbüchse kam um meinem Mann seinen Traktor ( nen echten – ein langgehgter Wunsch) zu erfüllen…

  6. Ich bin auch schon von: „wenn du dein Spielzeug so behandelts, können wir es auch gleich wegwerfen!“ Zu: „wenn du dein Spielzeug so behandelts, tu ich es in den Keller (weil es ist ja teuer)“ umgeschwenkt. Dieses sinnlose Rumgewerfe bei schlechter Laune macht mich irre

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